TEIL 2 -South America Traverse
Ohne Motor // ein Jahr // nicht allein
Die Idee: einmal durch Südamerika ohne Motor.
Die Umsetzung: Wandern, Paddeln, Radeln, …
Das Ziel: Interessante Geschichten sammeln!
Zeitraum: 1 Jahr
Allein? Nein!
Temuco - Zentrum der Mapuche
Wir haben einen Abstecher nach Temuco gemacht, um mehr über das hier lebende Volk der Mapuche (Indigene) in Erfahrung zu bringen. Die Großstadt pulsiert, ist anziehend und abstoßend zugleich.
Jedes Mal, wenn wir uns als Deutsche zu erkennen geben, ertönt das gleiche Loblied. Mit unermüdlichem Fleiß hätten die deutschen Auswanderer den Süden Chiles besiedelt und die Kultur Chiles positiv geprägt! Die Mapuche hingegen genießen kein großes Ansehen.
Sie werden als kriminell, faul und ungebildet abgestempelt. Wirtschaftlich sind die Mapuche abgehängt. Doch umso länger wir uns mit dem Thema beschäftigen, umso deutlicher wird, dass die öffentliche Meinung absoluter Quark ist!
Nach einigen Gesprächen mit betroffenen Mapuche und einem Interview mit einem Soziologen, der seit 20 Jahren mit Mapuche-Gemeinden zusammenarbeitet,
ist mir meine deutsche Herkunft regelrecht peinlich.
Sicher sind die deutschen Auswanderer nicht die Hauptschuldigen am Dilemma. Aber eine Mitschuld ist unstrittig. „Kaum waren die neuen Siedler da, haben sie das Wasser verschmutzt.“ erzählt uns eine Mapuche Frau.
Die damalige Regierung Chiles hatte an auswanderungswillige Europäer Land (was eigentlich laut Vertrag den Mapuche gehört) verschenkt und mit dem Militär abgesichert. Die neuen Siedler waren auch viele deutsche Landwirte, meist ohne Perspektive in der Heimat, die sich kein Deut darum geschert haben, welche kulturellen Gepflogenheiten hier existieren. Um es auf den Punkt zu bringen: viele deutschen Flüchtlinge benahmen sich teilweise wie die Axt im Walde!
Die Gemeinschaft der Mapuche in Chile wurde jahrzehntelang unterdrückt und ist täglich Opfer von Diskriminierung und Rassismus. Ihre Sprache (Mapundugun) und damit auch ihre kulturelle Identität, stehen vor dem Aus.
Diese Plattform ist ungeeignet, um die komplexen geschichtlichen Zusammenhänge darzustellen, die das heutige Dilemma zur Folge haben. Ich freue mich schon darauf, noch tiefer in die Thematik einzusteigen, um sie mit der gebotenen Sorgfalt aufzubereiten.
Etappe 23 - Läuft bei uns!
01.01.-20.01.2025
Strecke: 217,5 Kilometer
Im Packraft: 27,6 Kilometer
Choshuenco - Villarica - Sollipulli
Wir sind jetzt seit einem Monat unterwegs. Die anfänglichen Schwierigkeiten sind überwunden, unsere Haut ist gebräunt, erste Interviews für den neuen Vortrag sind im Kasten und es hat sich bei uns so eine Art „Routine“ eingestellt.
Jeden Morgen 7 Uhr klingelt der Wecker. Ich mache Frühstück, Mara baut das Zelt ab. Jeder Handgriff sitzt. Müsli essen, Sonnencreme verteilen und los.
Alle 3 Minuten schaue ich auf das GPS Gerät, damit wir nicht vom Weg abkommen. Nach 2 Stunden die erste Pause. Zwischen 17-18 Uhr wird das Nachtlager aufgeschlagen. Ich koche, Mara baut das Zelt auf. Was hier vielleicht eintönig klingen mag, sind nur die Boxenstopps unseres Abenteuers.
Wir wissen morgens nicht wo wir abends schlafen und erleben an manchen Tagen mehr, als in einem Monat in Deutschland. Die Landschaft unglaublich vielfältig. Wir plaudern mit schrägen Vögeln und beobachten wilde Tiere. Und wir fahren im Packraft!
Wie zum Beispiel durch den Nationalpark Huilo Huilo, dessen Ufervegetation dichter gepackt ist, als die Berliner U-Bahn am Montag morgen. Doch wie von Zauberhand tut sich zu unserer Linken eine Schneise auf, in der dicht gedrängt Menschen im feinen Zwirn stehen. Hä? Was machen die denn hier?
Halbbrüllend beantworten wir die Fragen des Mannes im hellbraunen Hemd, um den Wind zu übertönen. Es stellt sich heraus, das er aus Leipzig kommt! Er ist der Direktor des Leipziger Zoos und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Artenschutz, die sich unter anderem für den bedrohten Darwinfrosch einsetzt. Heute wird hier ein neuer Wanderweg eröffnet, deshalb der hohe Besuch. Jetzt kennen wir auch den Namen des Krachmachers von letzter Nacht! Wir winken zum Abschied.
Aktuell besuchen wir Freunde aus der Heimat in Pucon, genießen die Gemeinschaft und die Annehmlichkeiten der Moderne.
Ihr seht - es läuft bei uns.
Etappe 22 - Tanz auf dem Vulkan
28.-31.12.2024
Strecke - 60,9 Kilometer
Der Mond ist vergleichsweise langweilig.
Stell dir vor, du öffnest die Kappe des heißen Backofens und erblickst darin - die Arktis. So merkwürdig das jetzt auch klingen mag, es gibt diesen Ort wirklich.
Schneefelder reichen bis zum Horizont und werden von gelben und rote Dünen aus Bimssteinen durchzogen. Wir sinken ein. Wir atmen Staub. Ein pechschwarzer, meterhoher Lavastrom leitet uns den Weg nach Norden. Und plötzlich beissender Geruch nach faulem Ei. Die Erde zischt. An den tiefsten Punkten brodelt grauer Schlamm.
Vorsichtig fahre ich mit der Hand über die auf Hochglanz polierten, vulkanischen Glase. Und dann ist wieder alles Weiß. Bis zum Horizont.
Etappe 21 - Ein harter Beginn
20.-26.12.2024
Strecke: 92,4 km
davon im Packraft: 22,5 km
GESAMT: 3260,5 km
Wie bekloppt muss man sein, um ein Schlauchboot über den Vulkan zu schleppen???
Aller Anfang ist schwer. Besonders dann, wenn man bei jedem Schritt bis zum Knöchel im Lavagranulat versinkt. Mein Hemd klebt am Körper, Fliegen umschwirren mich, die Riemen des Rucksacks schneiden sich in die Schultern ein.
Uns geht das Wasser aus. Und das, obwohl überall Schneefeldern sind! Doch leider geht es dem Schmelzwasser wie uns - es versinkt im pechschwarzen Granulat.
Ich habe ich keine Hand frei, um die Stechfliegen abzuwehren. Mit der linken Hand navigiere ich, die rechte Hand umklammert den Wanderstock. Kurz Anhalten, Foto machen, durchschnaufen.
Mit knirschenden Schritten nähert sich Mara, den Blick starr geradeaus gerichtet. Immer wenn es schwierig wird, hört Mara Hörbuch. Wie zum Beispiel jetzt. Ihr Gesichtsausdruck hält mich davon ab, die Situation zu kommentieren.
Und dann stehen wir plötzlich auf dem schneebedeckten Pass auf 1600 Metern. Die vor uns liegende Landschaft als malerisch zu bezeichnen, wäre eine maßlose Untertreibung! Weiß gepuderte Vulkane ragen steil aus den dichten grünen Urwäldern auf, dazwischen glitzern dunkelblaue Seen in der Nachmittagssonne.
Als wir uns endlich vom Anblick losreißen können, erblicken wir in der Gegenrichtung unser nächstes Ziel: der 2400 Meter hohe Vulkan Puyehue.
Freud und Leid liegen oft eng beieinander. So wie Mara und ich am Abend im Zelt. Ich bin Freud und Mara ist es manchmal eher Leid. Trotzdem überwiegen die schönen Momente.
Zum Beispiel das Weihnachtsessen mit einer Extraportion Nudeln mit Tomatensauce. Orchideen am Wegesrand. Pittoreske, zauberhafte Mondlandschaften. Märchenwälder. Selbstgefangene Forelle am Spieß.
Gemeinsam werden wir das Abenteuer meistern 🏕️!
Laura verkauft und frische Lebensmittel
Mara am Getränkespender
Bei Augustin zelten wir auf der Wiese
Abendessen
Weihnachtsabend
Lago Todos Los Santos & Vulkan Osorno
Nalcablätter
Alles ist schiefgegangen!
Wir konnten Deutschland nicht verlassen, weil wir kein Transitvisum für Kanada hatten (Zwischenlandung). Das Visum konnte nicht beantragt werden, da die Webseite gewartet wurde. Ein neuer Flug über Spanien wurde gebucht 🙈.
Dieser war verspätet, dass wir in Madrid den Anschlussflieger verpassten. Ein Tag verbrachten wir in einem Hotel auf der Verkehrsinsel. Fast hätten wir auch den nächsten Flieger verpasst, denn das Gepäck war weg.
Endlich in Santiago angekommen, war ich krank. 12h im klimatisierten Bus Richtung Süden hat die Erkältung in eine Bronchitis verzaubert. Ab ins Krankenhaus, Antibiotika besorgen. Nun hängen wir im Hostel fest.
Während die Halsschmerzen nachlassen, legt der Wind weiter zu. Eine Schlechtwetterfront kommt auf uns zu. Über den ersten See paddeln? Schwierig.
Geht es uns schlecht? Nein! Wir sind so dankbar hier sein zu dürfen, wir freuen uns auf das Abenteuer und genießen jeden Tag. Morgen früh geht’s los!!!!
Vielleicht ;)
VAMOS!
TEIL 1 - Durch die Wildnis bis nach Feuerland (2021-2023)
Bilder und Geschichten von unterwegs
Es begann mit einer kuriosen Idee, die immer weiter Gestalt annahm.
Ich träumte davon, den kompletten Süden Patagoniens zu Fuß und mit einem Rucksack tauglichen Kajak (Packraft) zu durchqueren.
Das ich den Mut hatte, es einfach auszuprobieren, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob und wie so etwas funktioniert, ist die eigentliche Leistung des Unterfangens.
Ich startete in Frutillar (Puerto Montt) und erreichte das Capo Froward (Punta Arenas) nach 8 Monaten Wanderschaft.
Die Tour sollte schöner werden, als ich es mir in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Sie hat mein komplettes Leben nachhaltig verändert.
Vieles was ich unterwegs erleben durfte, habe ich in Form von 20 Blogeinträgen für mich und dich festgehalten. Fast alle dieser Zeilen entstanden abends im Zelt. Um zur ersten Etappe zu gelangen, musst du ganz nach unten scrollen.
Vorab vielleicht noch einige kurze Infos & Zahlen.
Ich habe insgesamt 3168 Kilometer zurückgelegt, von denen ich über 1000 Kilometer durch Flüsse, Seen und das Meer gepaddelt bin. Bis auf 5 Kilometer (Rettungsaktion) erfolgte jeder Meter aus eigener Muskelkraft. Einige meiner Etappen wurden noch nie zuvor aufgezeichnet.
Ich habe eine neue Sprache gelernt, bin über das Südpatagonische Eisfeld gelaufen,
hatte in den unzähligen Nationalparks 2 Pumabegegnungen, habe 3 Trekkingstöcke zerbrochen, 5 paar Schuhe durchgelaufen und mehr Flicken auf der Isomatte, als Finger an den Händen.
Insgesamt haben mich 10 Freunde zeitweise begleitet. Die meiste Zeit war ich allein. Doch einsam war ich nie.
Denn wer die Tour eigentlich so besonders gemacht hat, waren die Menschen vor Ort. Mir fällt keine einzige negative Begegnung ein.
Aktuell spiele ich mit dem Gedanken, ein Buch über die Reise zu schreiben. Falls du diesbezüglich Tipps oder Kontakte zu einem Verlag hast, freue ich mich über eine Rückmeldung.
An der Stelle möchte ich mich bei meiner Freundin Mara und meiner gesamten Familie für die immense Unterstützung bedanken!
Und jetzt viel Spaß beim Lesen & Stöbern
Etappe 20: Capo Froward
Daten: 20.-27.02. (8 Tage)
Streckenlänge: 171,3 km, davon 300 Meter im Packraft (als Fähre)
Ich habe es geschafft.
Am Freitag den 25. Februar 2023, um 14:40 Uhr Ortszeit, erreiche ich das Capo Froward, welches den südlichsten Punkt des südamerikanischen Festlands bildet. Patagonien endet genau hier. Eigentlich sollte jetzt die Sonne scheinen, mich meine Freundin in den Arm nehmen und eine Kapelle ein Ständchen spielen. Die Realität könnte Unterschiedlicher nicht sein.
Meine nasse Kleidung wird vom Wind an meinen Körper gedrückt und in meinen Schuhen steht das Wasser. Ich fröstele. Vor mir thront ein circa 20 Meter hohes Kreuz, welches aus einer geweißten Rohrkonstruktion besteht. Zum Glück bin ich nicht allein!
Laura und Toni, zwei Freunde aus Studienzeiten, begleiten mich auf dieser letzten Etappe. „Herzlichen Glückwunsch!“ ruft Laura und fügt fragend hinzu: „Wie fühlst du dich?“. Mir ist kalt. Und ich denke bereits an den 6-stündigen Rückweg, der uns bei Flut über glitschigen Felsen führen wird.
Beweisbilder werden geschossen. Toni und ich erklimmen das Kreuz und genießen den Ausblick auf die Magellanstraße, bevor uns der nächste Regenguss in die Flucht schlägt. Die Sektflasche bleibt im Rucksack.
Abends am Lagerfeuer lassen wir den Korken knallen. Müdigkeit in Kombination mit Alkohol lassen mich doch emotional werden. Ich habe es geschafft. Wirklich? Ja echt! Bis auf fünf Kilometer, bei denen ich quasi zwischen Eisschollen evakuiert werden musste, habe ich den kompletten Süden Patagoniens aus eigener Muskelkraft durchquert…
Diese letzte Etappe ist anstrengender als gedacht. Also genau wie alle anderen Etappen zuvor. Wir waten stundenlang durch das Meer, queren Flussdeltas und quetschen uns unter umgefallen Baumstämmen hindurch. Das allabendliche Trocknen der Schuhe am Lagerfeuer ist ritualisiert.
Die angenehme Gesellschaft von Laura und Toni haben diese Etappe zu etwas Besonderem gemacht. Sie hatten sich mir relativ spontan angeschlossen und die Chemie stimmte von der ersten Minute an. Gemeinsam helfen wir uns über die Hindernisse hinweg, suchen und finden einen Trail entlang des Meeres.
Die Magellanstraße hat viele Gesichter. In ruhigen Flussdeltas beobachten wir einen Schwarm Delfine bei der Jagd. Tags darauf wüten Sturmböen. Eine riesige Möwe würgt einen augenscheinlich viel zu großen Fisch herunter. Gerade als Laura auf Toilette ist, entdecken wir die Fontänen und Schwanzflossen zweier Wale. Laura verpasst das Highlight. Ich hätte viel lauter geflucht.
In wenigen Kilometern werden wir die Busstation erreichen. Meine Reise ist in ein paar Augenblicken Geschichte. Plötzlich zeigt sich die Sonne und im Süden spannt sich ein Regenbogen über das Meer. Patagonien verabschiedet sich von mir.
Und ich verabschiede mich von dir. Danke das du mich auf meinem Blog begleitet hast. Wir sehen uns!
Vamos!
Das Packraft als Fährboot
Am Ziel meiner Reise!
Ich verabschiede mich!
Etappe 19: Königsetappe
El Chaltén - Lago Viedma - Estancia Cristina - Lago Argentino - El Calafate
Daten: 09.02.-19.02. (11 Tage)
Streckenlänge: 166,4 km (davon 66,8 km im Packraft)
Wenn Patagonien meine Abenteurerlehre ist, dann ist diese vorletzte Etappe zweifelsfrei mein Gesellenstück. Die gute Nachricht vorweg: ich habe bestanden. Die Erzählung meiner persönlichen “Königsetappe”, auf deren Gelingen ich schon ein bisschen stolz bin, folgt in drei Teilen.
Teil 1: Lago Viedma
“Bitte liebes Zelt, halte stand!“, bete ich stumm, als mich die nächste heftige Böe durchschüttelt. Eine Salve Regen trommelt auf das Zeltdach. Manche der Tropfen finden ihren Weg durch eines der winzigen Löcher, die mir ein Sandsturm hinterlassen hat. Schon vor dem Mittagessen scheint dieser Tag gelaufen.
Dabei hatte alles so aussichtsreich begonnen. Noch vor Sonnenaufgang baue ich das Packraft auf und steche in den Lago Viedma. Wellen, die von der Brandung zurückgeworfen werden, fordern sogleich meine volle Aufmerksamkeit. Eigentlich sollten diese Wellen laut Windbericht nicht existieren. Auf dem offenen See schwankt ein mehrstöckiger Eisberg, der durch das kalte Mondlicht von innen heraus zu leuchten scheint.
Mit einem Mal erfasst mich eine heftige Böe. Instinktiv drehe ich das Boot, sodass die Spitze genau in den Wind zeigt und setze kräftige Paddelschläge. Der Spuk ist nach wenigen Augenblicken vorbei, aber das gleiche Spiel setzt sich in Folge immer weiter fort. Die lockere Wolkendecke färbt sich allmählich orange. Als ich den Blick nach vorn richte, rutscht mir das Herz in die Hose.
Keine 500 Meter entfernt hat sich eine 50 Meter hohe Windhose gebildet. Der furchterregende Turm aus Wassertropfen bewegt sich rasend schnell in Richtung Seemitte und ändert dabei stetig seine Form. Mit offenem Mund verfolge ich die Szenerie. Dann setzt mein Denken ein. Ich lenke das Packraft ans Ufer und bringe mich in Sicherheit.
Aus meiner Deckung heraus spähe ich auf das nun einsetzende Naturschauspiel. Der schier unendliche See, welcher jetzt mit dem warmen Licht der aufgehenden Sonne ausgeleuchtet wird, bildet die Bühne. Der einzige Zuschauer hat Platz genommen. Die Vorführung kann beginnen.
Zwei kleinere Windhosen rasen vom Westen heran, vereinigen sich, zerfallen. Immer neue Wirbel entstehen und vergehen.
Plötzlich einsetzende Windböen aus Osten lassen die Wellenkämme schäumen und schleudern Gischt meterhoch in die Luft. Wolken jagen über den Horizont. Nicht weit entfernt schlagen dunkle Wellen wuchtig an einen tiefblauen Eisberg. In der Ferne ertönt ein heftiger Donnerschlag. Scheinbar hat sich vom Gletscher ein weiterer Eisberg gelöst. Die Pauke ist gespielt. Regen setzt ein.
Und da sitze ich nun in meinem Zelt und hoffe auf Besserung, die einige Stunden später auch eintrifft. Mittlerweile hat sich es eingeregnet und der Wind ist jetzt eine schwache Brise. Noch traue ich dem Braten nicht, aber nach einer weiteren Stunde wird klar: meine Chance ist gekommen.
Bevor ich wieder ins Boot steige, checke ich alle Sicherheitsvorkehrungen doppelt. Vor mir liegt die 1,2 Kilometer lange Querung des Lago Viedma an seiner schmalsten Stelle. 500 Meter zu meiner rechten ist eine 40 Meter hohe Front aus Eis, zu meiner linken ist 78 Kilometer weit nur Wasser. Gerade als ich es geschafft habe, setzt der Wind wieder ein.
Ich halte mich die kommenden 25 Kilometer dicht am Westufer des Sees. Die Fahrt gleicht aufgrund des zu starken Rückenwindes einer Achterbahnfahrt. Nach einem Tag erreiche ich die letzte Schlüsselstelle des Sees. Wieder muss ich 1,3 Kilometer queren, nur ist es dieses Mal einfacher.
Als ich bereits in Ufernähe bin, entdecke ich zwei Personen, die mich aufgeregt gestikulierend in eine windgeschützte Bucht dirigieren.
5 Uhr: Ich starte meine Überfahrt.
Nach kurzer Zeit muss ich aufgrund von starken Wind anlegen.
Das Theaterstück beginnt.
Gischt wird meterhoch in die Luft geschleudert.
Nach kurzer Zeit muss ich aufgrund von starken Wind anlegen.
Notcamping
Viedmagletscher
Endlich kann es weitergehen
Letzte Überfahrt zur Estancia Helsingfors
Teil 2: Im Gebirge
Paula ist die Managerin der Estancia Helsingsfors und ich bin ihr erster Gast, der über das Wasser anreist. Nun, eigentlich bin ich nur Besucher, denn eine Übernachtung wäre für mich unbezahlbar. Paula ist begeistert von meiner Tour und löchert mich mit Fragen. Unter anderem, ob ich eine Genehmigung für die Tour von der zuständigen Verwaltung des Nationalparks besitzen würde!?
Selbstverständlich! Allerdings
verschweige ich geflissentlich, dass meine Genehmigung lediglich die jetzt anstehende Wanderung durch das Gebirge umfasst. Eine Paddelgenehmigung ist nicht zu bekommen. Normalerweise halte ich mich an die Regeln der Parks, aber in diesem Fall mache ich eine Ausnahme.
Eine alternative Wegstrecke (ausgenommen ich laufe 200 Kilometer auf der Hauptstraße) gibt es nicht, zudem halte ich das Verbot für unbegründet. Der Nationalpark verkauft Lizenzen an Unternehmen, welche die Seen täglich mit riesigen Katamaranen befahren die tausende Tonnen Diesel in die Luft pusten. Touristen mit dem nötigen Kleingeld (100$ pro Tag) dürfen selbst im Nationalpark Lachse angeln! Bei mir ist anscheinend nichts zu holen. Mein schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen.
Nach einer kostenlosen Portion Schmorgemüse auf Reis und einem großen Milchkaffee laufe ich los. Seit mehreren Jahren war hier niemand mehr unterwegs. Solch entlegene Trails werden durch (wilde) Kühe einigermaßen instand gehalten. Allerdings wurden jüngst alle Kühe aus dem Nationalpark entfernt, um Wildtieren wie dem Huemul (seltene Rehart), Platz zu schaffen.
Der Weg ist als solcher kaum zu erkennen und mit stachligen Büschen (Calafate) überwuchert. Bereits nach kurzer Zeit sind meine Schienbeine zerkratzt und beide Hosenbeine eingerissen. Es stürmt, hagelt und schneit. Teilweise wandere ich aus Schutz vor Kälte im Trockenanzug und gehe damit auch querfeldein durch Schlamm und Bäche. Als ich nach zwei Tagen die Pässe hinter mich gebracht habe, versagt der Campingkocher den Dienst.
Nun ist es wichtig zu wissen, dass dieser Kocher samt Topf lediglich ausgeliehen ist. Mein Equipment habe ich in Punta Arenas vergessen. Das Gewinde vom Leihkocher ist futsch. Mit dem billigen Topf aus Alu möchte ich auch nicht über dem Feuer kochen. Da ich 50% meines Kalorienbedarfs über das Abendessen decke, welches großteils aus Nudeln besteht, habe ich ein ernsthaftes Problem.
Meine Rationen an Keksen, Schokolade und Brot schwinden rasant. Und vor mir liegen noch mindestens 5 Tage! Zwei Tage später erreiche ich die nächste Luxusunterkunft, die Estancia Cristina. Eigentlich wollte ich diesen Ort aufgrund der Paddelthematik großräumig umgehen. Jetzt jedoch laufe ich mit knurrendem Magen direkt darauf zu.
Eine Übernachtung im Einzelzimmer kostet hier 1400€! Von diesem Geld reise ich zwei Monate lang. Wie mir die Managerin Laura kurze Zeit später erzählt, liegt die Auslastungsrate bei guten 80%. Die meisten Touristen kämen aus den USA und Europa.
Ich trete Laura gegenüber betont freundlich und selbstbewusst auf. Wie eine Selbstverständlichkeit erwähne ich den Plan, den Lago Argentino im Packraft zu befahren. Schließlich würde ich seit Monaten nichts anderes tun und natürlich würde die entsprechende Genehmigung vorliegen. Allerdings müsste ich bitte etwas Nahrung kaufen, da mein Campingkocher den Geist aufgegeben hat…
Das Sandwich, was ich fünf Minuten später heißhungrig verschlinge, hätte ausgereicht, um eine Großfamilie satt zu bekommen. Also genau die richtige Größe. Laura bittet mich, ihr die Genehmigung der Vollständigkeit halber per Email zu senden und gibt mir dazu den Internetzugang. Ich komme der Bitte nach und schreibe in den Betreff der Mail das Datum der Genehmigung, da ich diesen Zeitraum mit Absicht viel zu lang gewählt habe.
Anschließend checke ich den Wind und das Wetter der kommenden Tage. Kaum zu glauben: In drei Tagen ist ein grandioses Wetterfenster in Sicht. So etwas ist auf dem Lago Argentino selten. Ab jetzt sitze ich wie auf Kohlen. Laura ist im Büro verschwunden und checkt ihre Mails. Sie scheint ziemlich gestresst zu sein, was mir entgegenkommt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrt sie endlich zurück.
Paula ist die Managerin der Estancia Helsingfors.
Gemütlich ist sie ja…
Aufstieg ins Gebirge
Aus Schutz vor Wind habe ich Baumstämme gestapelt.
3 Grad. Gefühlte 0…
Paddeln geht hier schneller als Wandern.
Ankunft in der Estancia Cristina
Teil 3: Lago Argentino
Sie habe mit dem obersten Chef gesprochen und ich könne für 25 Dollar ein Lunchpaket erhalten. Vergeblich versuche ich, mir die Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Die Essenstüte wiegt schwer in meinen Händen, als ich die Estancia mit langen Schritten verlasse.
GPS Aufzeichnungen von dieser Gegend liegen mir nicht vor. Natürlich hätte ich Laura danach fragen können, aber das hätte nicht zu meinem selbstsicheren Auftreten gepasst. Ich habe sowieso recht viel Zeit, bis mein Wetterfenster in Sicht kommt.
Nach einigen Kilometern wird ein Trail sichtbar, der regelmäßig durch Steinpylonen gekennzeichnet ist. Bereitwillig folge ich den Markierungen, denn die Richtung stimmt. Viele Menschen scheinen hier aber nicht unterwegs zu sein. Ich erreiche einen Aussichtspunkt, überschreite einen Pass und stehe am Abend vor einer ausgedehnten Niederung, in welcher ein kleiner Fluss der den Lago Argentino speist. Die Steinpylonen sind noch immer da.
Als ich gerade mein Zelt in einem Waldstück aufschlagen will, entdecke ich keine 200 Meter entfernt ein Wellblechdach. Verwundert näher ich mich dem Gebäude, in dessen Windschatten ich ebenfalls eine potentielle Zeltstelle vermute. Die Hütte macht von außen einen guten Eindruck. Sie ist nicht verschlossen. Neugierig trete ich ein.
Ein Küchentisch, ein Gasherd, Feuerholz, Ofen, Solarpanel, Küchenutensilien und nebenan drei Betten mit Matratzen. Alles ist alt, nur das Dach wurde unlängst erneuert.
Die Hütte wirkt sauber und gepflegt. Auf einem Hinweisschild der Estancia Cristina sind Regeln aufgelistet, die Wanderer bei der Benutzung zu befolgen haben. Ich kann mein Glück kaum fassen und führe spontan einen Freudentanz auf. Ich vermute, dass die Estancia dieses Land als Anlageobjekt erworben hat. Die jüngsten Reparaturarbeiten wurden nur oberflächlich durchgeführt, um die Hütte vor dem Verfall zu schützen. Alles scheint ungenutzt. Ich beschließe, den glücklichen Umstand mit einem Pausentag zu feiern.
Still zu halten fällt mir mitunter schwer. Am nächsten Morgen ist der See ruhig und ich will los. Mein Verstand sagt mir, dass es nicht ruhig bleiben wird und ich die geilste Hütte der Welt nur für mich habe. Also fühle ich in meine Unruhe hinein, halte sie aus und spüre, wie sie sich auflöst. Jetzt bin ich der Freiherr des Tals!
Ich trinke einen dritten Milchkaffee am Ofen, während es draußen schneit und stürmt. Heute geben sich die Jahreszeiten die Klinke in die Hand. Vor einer halben Stunde lag ich noch auf einer der Matratzen in der Sonne. Aufreger des Tages ist der Moment, als mein Topf mitsamt des Mousse au Chocolat auf den See hinaustreibt. Was für ein eigenwilliger Kühlschrank dieser See ist! Die nassen Sachen meiner hingebungsvollen Rettungsaktion trocknen aber schnell wieder 😅.
Bei schönstem Wetter paddele ich in den Zielhafen ein und werde sogleich von der Wasserschutzpolizei abgefangen. Auch dieses Mal wird meine Genehmigung nicht richtig gelesen. Nach einer Dusche und einem Mittag im Mannschaftsquartier halte ich den Daumen in den Wind. Ich habe es geschafft. Was für eine geile Etappe!
Laura und das Essenspaket.
Der Lago Argentino.
Die Schutzhülle kommt in Sicht.
Die Schutzhülle kommt in Sicht.
Die Schutzhülle kommt in Sicht.
Die Schutzhülle kommt in Sicht.
Pausentag!
Ich werde sie vermissen…
El Zorro - der Fuchs
Ich habe es geschafft 🙏
Etappe 18: Trockenheit, Sumpf und nackte Schafe
Puerto Natales - Punta Arenas
Daten: 27.01.-05.02. (9.5 Tage)
Streckenlänge: 280,7 km (davon 0km im Packraft)
228,7 km auf Feldwegen
25 km durch Sumpfgebiete
27 km am Strand
Hast du schon mal darüber nachgedacht, auf der Autobahn von Jena nach Berlin zu wandern? Nein? Nun, das kann ich verstehen. Es wäre nicht nur langweilig, sondern auch illegal. Von der Distanz her bin ich eben jene Strecke in knapp 10 Tagen gelaufen. Allerdings hatte die Landschaft meiner Etappe wenig mit der Monokultur entlang der A9 gemeinsam.
Der Klimawandel schlägt in dieser Region gerade voll zu. Riesige Seen, auf deren Wellenkämmen sonst farbenprächtige Flamingos tanzen, sind ausgetrocknet. Alle Tiere leiden unter der ökologischen Katastrophe. Dazu zähle ich auch mich. Allerdings bin ich als Mensch privilegiert. Immer wieder halten ungefragt Autos an und hüllen mich in eine Staubwolke. Nein, eine Mitfahrt benötige ich nicht, aber etwas Wasser wäre toll…
Zu meiner Rechten erstecken sich die sturmgepeitschten Fjorde des Pazifiks. Links von mir grasen Rinder auf sumpfigem Weideland. Gestern noch musste ich ebenfalls durch Sümpfe waten. Mit etwas Glück gab das Moos unter mir nur etwas nach, sodass ich lediglich bis zu den Knöcheln im Wasser stand. Leider ist mir das Glück nicht immer hold und so breche ich mehrfach bis zur Hüfte im Morast ein. Alle Zehen meiner Füße und die Fersen sind als Schutz vor Blasen an solchen Tagen mit Tape versehen.
Als ich meinem Ziel Punta Arenas immer näher komme, öffnet sich die Landschaft und macht Platz für den berüchtigten patagonischen Wind. Ich taumel wie ein Betrunkener vorwärts und klopfe am Abend an der Tür eines Bauernhauses (Estancia), um ein windgeschütztes Nachtlager zu erbitten.
Die Besitzer der Estancias leben von der Viehzucht. Gerade ist ein Trupp internernationaler Arbeiter zu Gast, die in 2 Wochen alle 20 000 Schafe der Farm scheren. Fasziniert stoppe ich die Zeit, die ein Arbeiter braucht, um ein komplettes Schaf zu entkleiden. Das Ergebnis: 1:45 Min.! Dieser Mann schert pro Tag 320 Schafe! Was für eine unfassbare Knochenarbeit. Mit einem Kilo gebratenem Lamm im Gepäck setze ich meinen Weg fort.
Der Spruch “Irgendwann riechst du dich selbst nicht mehr” ist eine fahrlässige Lüge. Vor 9 Tagen habe ich das letzte Mal geduscht und aufgrund von Kälte, Wind und Trockenheit nicht einmal die Möglichkeit gehabt, mich in Bächen zu waschen. Ein strenger Geruch entweicht stoßweise meiner Regenjacke. Ich lege mir gedanklich einen “Anti-Gestanks-Plan” zurecht, um durch meine Ankunft in der Zivilisation keine Massenpanik auszulösen.
Sobald ich in der Stadt bin, suche ich eine
Toilette auf, mache mich frisch und ziehe das letzte saubrere T-Shirt an. Erst danach geht es ins Hostel. Dort angekommen, geht es sofort in die Dusche. Alle Klamotten müssen in einem luftdichtem Sack verstaut werden, bevor sie zur Wäscherei bringe. Bleibt nur noch die Frage zu klären, wann und wo ich meine Schuhe ausziehe…
Vamos!
Ab jetzt macht es Spaß
Sumpfland
Zurück am Meer
Mittag
Abendessen
Zu Gast in einer Estancia
hauseigenes Lamm
19 000 Schafe warten noch
Fertig!
Das Wasser im Hintergrund ist salzig…
Aber Hilfe naht!
Oder Cola und Sandwich! Warum nicht.
Geschafft!
Etappe 17: Ein Puma, ein sterbender Gletscher und Angstschweiß
El Calafate - Parque National Torres del Paine - Puerto Natales
Daten: 14.01.-24.01. (11 Tage)
Streckenlänge: 272,2 km (davon 0km im Packraft)
Eine Etappe, die viel zu lang ist und bei der ich die letzten 50 km sogar noch nachholen muss, da an meinem Fersen kaum noch Haut übrig ist. Eine Etappe, bei der ich den Nationalpark “Torres del Paine” durchquere und Trail mit einem Puma teile. Eine Etappe, auf der ich mit einer Italienerin einen Gletscher quere, der sich im Zuge des Klimawandels derart verändert hat, dass wir hinterher die Steine unter unseren Füßen küssen.
5 Tage lang stumpf einem Forstweg zu folgen und dabei jeweils 30 km bei 30 Grad im Schatten zurückzulegen, ist nicht meine Stärke. Lieber laufe ich querfeldein oder paddele mit Gegenwind. Die Landschaft ist wie immer ein Traum und ich begegne niemanden.
Anschließend durchquere ich “Torres del Paine” auf einem offiziellem Nebenweg. Jeden Tag strömen bis zu 2000 Touristen in den Park und laufen dann mehr oder weniger den gleichen Trail. Menschen sind komische Tiere. Bis auf einem Puma ist bei mir niemand unterwegs. Was für ein unfassbares Glück ich mal wieder habe…
Die letzten 120 Kilometer lege ich gemeinsam mit Caterine aus Italien zurück. Wir hatten uns kurz zuvor im Hostel in El Calafate über meine Tour unterhalten, woraufhin sie mich fragte, ob sie mich nicht ein Stück begleiten könne. Na klar.
Caterine besorgt sich die nötige Ausrüstung sowie Proviant und erscheint pünktlich am Treffpunkt im Nationalpark. Für sie ist es die erste Mehrtagestour. Wir waten durch eiskalte Flüsse, versinken im Morast, Campen an epischen Plätzen und queren nicht zuletzt einen Gletscher, wobei uns beim Anblick der tiefen Gletscherspalten die Knie schlottern.
Caterine besteht die Feuertaufe, begegnet ihren Ängsten mit stoischer Gelassenheit und behält ihre gute Laune. Faszination und Schrecken liegen oft dicht beieinander. Ihre unkomplizierte, ehrliche und fröhliche Art lenken mich von meinen eigenen Schmerzen ab. Eine grandiose Etappe!
Nationalpark “Torres del Paine”
Ein Guanaco lukt hervor
Ein Guanaco lukt hervor
Ein Skunk (Stinktier). Stinkt aber gar nicht.
Puma!
Videos vom Katzenbaby gibts beim Vortrag
Guten Morgen!
Weiter gehts mit Caterine aus Italien!
Noch ist alles schön…
Willkommen auf dem GPT 😉
Gletscherquerung!
Spaltenfrei… nicht wirklich
Geschafft!
16. Etappe: Im ewigen Eis
Daten: 03.01.-11.01.23
Streckenlänge: 171 km (davon 39,7 im Packraft)
Teilnehmer: Mischa, Mascha, Leo, Jan, Meylin
Zu Fuß
über (Um-)Wege: 84
über Gletschereis: 30,2 km
Mit dem Packraft
Wildwasser: 8,5 km
zwischen Eisbergen: 16,9 km
auf Seen: 14,3 km
Zu Pferd
14,6 km
Mit dem Boot:
6,4 km
Das Südpatagonische Eisfeld ist mit 16.800 Quadratkilometern größer als Thüringen! Gigantische Gletscher ergießen sich in die angrenzenden Fjorde und Seen, in denen nicht selten haushohe Eisberge treiben. Zwischen eben diesen Eisbergen durfte ich hindurch paddeln. Zudem habe das Eisfeld mit einem chilenischen Bergführer in Teilen überquert und bin schlussendlich in El Chaltén (am Fuße des Fritz Roy) eingetroffen. Einige schöne Bilder habe ich herausgesucht. Die besten hebe ich aber für den Vortrag auf 😉
Unser Team von Links nach Rechts: Ich, Leo, Meylin, Jan, Mascha, Mischa
Auf in die Etappe!
Mit Marcello reite ich 14 Kilometer durch die Berge
Weiter mit dem Packraft in Schlängellinien durch die Eisberge.
🙏
Hier geht es nicht weiter. Der Wind ist einfach zu stark. Ich muss mit dem Boot abgeholt werden - hoffentlich das letzte mal!
Die Gletscherfront des Glaciar Chico (kleiner Gletscher). Über diesen Gletscher werden wir die nächsten Tage wandern.
Unser Guide Leo hat vorab eine kleine Stärkung organisiert 😜
Wir folgen den Spalten in Richtung Gletschermitte, wo wir zügig vorankommen.
Die Spalten sind leicht zu überwinden.
Autobahn aus Eis!
Wir übernachten in stationären Zelten.
Abendbrot
Südpatagonisches Eisfeld. Im Hintergrund: Mount Fitz Roy und Cerro Torre.
Vor Freude über die geniale Tour bauen wir spontan das Packraft auf und schießen lustige Bilder.
Sonnenaufgang an der berühmtesten Bergkette Patagoniens.
Abschied von Leo und Mischa. Für mich geht es ab hier allein weiter.
Geschafft!
Wer spendiert mir neue? 😅
Vergangenheit & Zukunft einer kleinen Insel
Schafzucht, Eisberge und schnelles Internet.
12 Tage auf einer Insel, inmitten von schneebedeckten Bergen, türkisblauem Wasser und einer herzlichen Familie. Ich werde diese Zeit nie vergessen und mit Sicherheit eines Tages zurückkehren…
Patagonia is so much more then “Torres del Paine” and “El Chalten” but large crowds of visitors that published millions of images of these two “Hiking Disneylands” shrinked the public perception of this vast and diverse region.
Visiting Patagonia beyond the few hyped National Parks needs time, curiosity and courage but makes you the guest in an overlooked and inspiring world.
I want to share with you one of my favorite places: Isla Central in middle of Lago O’Higgins.
It’s a challenge to get to this magic place that is surrounded by turquoise water, snow covered mountains and glaciers. But the moment you step on this island you are welcome by Andrea Mancilla and her mother Susanna and you get invited into their life of pioneers.
In the past, the family made their living with life stocks farming, which remains an essential part of their way of life. Nevertheless, to maintain the beautiful island, new ideas have been planted. Tourism is one of them. I want to support the warmly person Andrea with this video.
Go and try to visit her!
Editing: Jan Dudeck and Tobias Schorcht
15. Etappe: Die letzte Reise des Iohan Gueorguiev
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Streckenlänge: 56,8 km
Davon auf dem Wasser: 26,6 km
Daten: 18.-22.12.22
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Der Abenteurer Iohan Gueorguiv starb im zarten Alter von 33 Jahren im kanadischen Cranbrook. Als ich 2021 davon erfuhr, war das ein Schock. Wie tausende andere verfolgte auch ich Iohans Reisen mit dem Fahrrad und Packraft auf YouTube. Auf Iohans südlichster und letzten Etappe von Alaska nach Patagonien sind wir jetzt unterwegs. Ein Teil von Iohans Asche ist an Bord meines Packrafts.
Obwohl es erst 6:00 Uhr ist, bläst der Wind bereits kräftig und lässt mein gelbes Boot auf den Wellen tanzen. Sonnenstrahlen fallen durch die Lücken der dahinfliegenden Wolken und bringen das türkisblaue Wasser zum Leuchten. Schneebedeckte Berge eskortieren unseren Weg gen Süden. Wieder einmal bin ich froh, diese Etappe nicht allein bewältigen zu müssen.
Als schwarzen Punkt am Horizont kann ich das Packraft von Jan und Meylin auszumachen. Jan ist der Begründer des „Greater Patagonia Trails“ und verfügt durch seine unzähligen Expeditionen über einen reichen Erfahrungsschatz. Ob es uns wohl gelingt, Iohans Route zu finden und zu kartieren?
Hinter mir schiebt sich der Zweisitzer von Mischa und Mascha heran. Das Pärchen aus Russland trägt ein schweres Los. Als der Krieg mit der Ukraine ausbrach, befanden sich die beiden in Südamerika. Mischa, der eigentlich Mikhail heißt und sein Geld mit Onlinepoker verdient, widersetzte sich seinem konservativen Vater und kehrte nicht nach Russland zurück. Hoffen wir, dass sein Vater eines Tages die Sinnlosigkeit des Krieges anerkennt und mit seinem Sohn Frieden schließt. Kein Mitglied unserer 5-köpfigen Expedition ist so fürsorglich und hilfsbereit wie Mischa.
Dank sorgfältiger Planung der Route (danke an Jan) und satellitengestützter Kommunikation (danke an Tamino) erreichen wir zügig und sicher die Isla Central, auf der uns Andrea erwartet. Nach Iohan sind wir erst die zweiten Touristen, welche die Insel inmitten des Lago O’Higgins betreten. Andrea wohnt hier mit ihrer Mutter, ihrem Sohn sowie unzähligen Pflanzen und Tieren. Alle zwei Wochen bringt ein Versorgungsschiff der Familie das Nötigste. Wenn es für mich noch ein weiteres Beispiel für die Stärke patagonischer Frauen bedurft hätte, voilà.
Wir beziehen eine gemütliche Hütte, wärmen uns am Ofen und erfreuen uns an den Köstlichkeiten, die wir unserem Versorgungspacket entlocken. Dank einer Sehnenscheidenentzündung meines linken Daumens (Danke für die Ferndiagnose Dr. Stanek) kann ich aktuell nicht weiter paddeln. Einen schöneren Ort zum Auskurieren hätte ich mir aber auch nicht aussuchen können.
Vor mir liegen zwei Wochen am Rande des südpatagonischen Eisfeldes, inklusive einer Zeremonie, bei der wir Iohans Asche beisetzen, Weihnachten und Silvester. Mal schauen, wie weit ich bis Ende Februar 2023 noch komme…
Link zum YouTube Video von Iohan zu dieser Etappe: https://youtu.be/IcRWQL3USGM
Von links: Tobias, Meylin, Jan, Mischa, Mascha
Die Route
Patagonien wurde einst fast vollständig abgebrannt.
Mein Startgewicht (Campingzeug, Paddelzeug, Essen für 7 Tage)
Mischa
Zu Fuß mit Packraft.
Überfahrt auf dem Lago O’Higgins.
Begründer des GPT: Jan Dudeck.
Ankunft auf der Isla Central. In meiner rechten Hand ist Iohan und ganz rechts steht Andrea.
14. Etappe: Parque Patagonia
Streckenlänge: 82,3 km
Davon auf dem Wasser: 0 km
Daten: 12.03.- 15.03.22
Besonderheiten: unverschämtes Glück, Gletscherquerung und ein Abschiedsgeschenk
Es ist 21:51 Uhr und ich bin gerade erst in mein Zelt geschlüpft. Normalerweise schlafen wir um diese Uhrzeit bereits tief und fest, aber heute ist nichts normal. Meine Beine fühlen sich nach 38 harten Wanderkilometern an wie Pudding, doch das mir ist das völlig gleich. Ich schwebe wie auf Wolke sieben.
Seit fast fünf Monaten bewege ich mich leise durch die Landschaften und halte stets Ausschau nach Wildtieren. Es war immer mein Wunsch, einen Puma in freier Wildbahn zu sichten. Heute, an meinem allerletzten Abend in der Natur, ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen. Danke liebes Patagonien, für dieses wundervolle Abschiedsgeschenk.
Mein erster Vortrag in der Gemeindeschule in Villa O‘Higgins ist ein voller Erfolg. Ursprünglich wollte ich mit zwei Klassen über meine Erfahrungen sprechen, am Ende ist über den Vormittag verteilt die ganze Schule anwesend. Anscheinend hat sich die Nachricht von den verrückten Deutschen mit dem aufblasbaren Kayak rasch herumgesprochen. Ohne Jonas' Hilfe beim Bedienen der Technik wäre es schwierig geworden.
Das Leuchten in den Augen der Kinder, wenn ich die Aufnahmen meiner GoPro über die Leinwand laufen lasse, ist einfach zauberhaft. Die Schüler stellen interessiert Rückfragen zu Deutschland, unserer Route und auch zur Ausrüstung. Ich werde nicht müde zu betonen, dass Patagonien der für mich schönste Landstrich unserer Erde ist und was es beim Wildcampieren Wichtiges zu beachten gilt.
Gestärkt versuchen wir später am Tag unser Glück beim Trampen. Wir wollen Villa O‘Higgins Richtung Norden (Cochrane) verlassen, da leider keine Zeit für eine weitere Tour bleibt. Traurig machen wir noch ein Abschiedsbild. Am Ortsausgang entdecken wir an der Tankstelle den Guide unserer Bootsfahrt zum Glaciar O’Higgins. Er winkt uns freundlich zu.
Pascual Díaz ist ein erfahrener Bergführer und hat sich auf Expeditionen im südpatagonischen Eisfeld spezialisiert, wie er uns wenig später im Auto berichtet. Die Landschaft rast nur so am Fenster vorbei, während Pascual versucht, nur jedes zweite Schlagloch mitzunehmen. Aus den Boxen donnert ein experimenteller Mix unterschiedlichster Musikrichtungen. Zwei Stunden später rollen wir als letztes Auto des Tages auf die Fähre. Was für ein Glück wir wieder hatten! Aber das ist erst der Anfang.
Pascual ist unterwegs nach Maullín Grande, was hinter unserem eigentlichen Ziel Cochrane liegt. Wenn wir möchten, könne er uns auch gleich dorthin mitnehmen. Es gäbe auch eine Verbindung (nicht zu verwechseln mit einem Weg) über die Berge nach Cochrane. Zwar müsse man dafür einen vergletscherten Pass queren, aber das sei gefahrlos möglich…
Wir sind hellwach und rechnen akribisch die verbleibenden Tage bis zum nächsten Vortrag aus. Es könnte gerade so irgendwie klappen, denn laut Pascual ist die Strecke in nur drei bis vier Tagen zu bewältigen. Die Entscheidung fällt im Bruchteil einer Sekunde. Nach weiteren sieben Fahrstunden erreichen wir völlig übernächtigt Maullín Grande.
Der erste Tag ist einfach. Wir folgen dem Verlauf des Tals und schlagen gegen Abend die Zelte in einem Wald auf, dessen Bäume festlich mit dem „Barba del Viejo“ (Bart des alten Mannes) geschmückt sind. Ein paar lustige Bilder mit den grünen Flechten können wir uns nicht verkneifen.
Das mit Kies und Geröll überzogene Flussbett führt uns tags darauf in Richtung Pass. Als der Fluss in einem Wasserfall verschwindet, schlagen wir uns durch die Büsche. Die Berge sind flankiert von Gletscherzungen und schroffen Felsen. Gegen Mittag betreten wir mit schweren Beinen das Gletschereis des Passes und trauen unseren Augen kaum:
Nur wenige Meter entfernt erheben sich gewaltige, dunkelblaue Eisblöcke, die sich von den Gipfelspitzen bis hinab in die Talsohle ergießen. Mehrere milchig graue Schmelzseen schillern im Sonnenlicht. Vorsichtig setzen wir einen Fuß vor den Anderen. Das mit Steinen übersäte Eis bietet uns dabei einen guten Halt. Wir passieren mehrere rundgeschliffene Felsen, die vermutlich erst diesen Sommer vom Gletscher freigelegt wurden und haben kurz darauf freien Blick in ein weitläufiges Tal.
Der Abstieg wird steil. Wir suchen halb rutschend und halb bremsend nach der sicheren Linie. Endlich am Hangfuß angekommen, kämpfen wir uns noch zwei Kilometer entlang des Steilufers einer Laguna, bis wir ziemlich entkräftet flaches Terrain betreten. Zur Stärkung trinken wir mehrere Shakes harina tostada (geröstetes Weizenmehl) mit Zucker und Gletscherwasser.
Die Zeit drängt. In zwei Tagen müssen wir spätestens in Cochrane sein, um am folgenden Morgen den Bus nach Coyhaique zu erwischen. Wie immer klingelt uns der Wecker um 6:30 Uhr aus dem Schlaf. Im Schein der Kopflampen bauen wir zügig die Zelte ab und löffeln unseren Brei, bestehend aus Haferflocken, Nüssen und Milchpulver.
Wir erreichen dankbar einen Wanderweg und schreiten beschwingt aus. Gegen 17 Uhr biegen wir in einen Feldweg ein. 32 Kilometer sind bereits absolviert, aber das reicht nicht. Laut GPS Gerät müssen wir dem Feldweg für 26km folgen, bevor uns ein weiterer Wanderweg über einen 1300m hohen Pass führt…
Wie um alles in der Welt hat dieser Gaucho die Strecke in nur drei Tagen gemeistert???
Nachdem wir bereits eine Stunde auf dem Feldweg unterwegs sind, hören wir hinter uns ein Motorengeräusch. Sofort fliegen die Daumen in den Wind. Unter normalen Umständen würde das gegen mein Grundprinzip “connected footsteps” verstoßen, aber da es sich um eine Extraetappe handelt und ich keinesfalls den nächsten Vortrag verpassen will, müssen wir eine Ausnahme machen.
David und Angela machen uns freundlicherweise die Rückbank frei. Die beiden US-Amerikaner sind in ihren Flitterwochen und leben quasi im Mietfahrzeug. David ist von meiner Tour total begeistert, da er selbst als Bergführer im Yosemite Nationalpark arbeitet. Falls ich vorhätte, meine Wanderung auf Nordamerika auszudehnen, solle ich mich unbedingt bei ihm melden. Mit einem Bier in der Hand verabschieden wir uns lachend von den beiden.
Die Sonne steht jetzt bereits tief über dem Horizont und taucht die steppenartige Landschaft in ein warmes Licht. Um die bilderbuchartige Szene perfekt zu machen, stolzieren mehrer Guanacos (Unterart vom Lama) direkt an uns vorbei und lassen sich bereitwillig fotografieren. Wir erreichen den Campingplatz „Westwind“ im Nationalpark „Patagonia“. Hier gibt es sogar Duschen! Als ich mich wieder angekleidet habe und das Waschhäuschen verlasse, fällt mir eine Menschentraube mit Ferngläsern ins Auge. Sofort beschleunige ich meine Schritte.
Keine 100 Meter von uns entfernt sitzt ein ausgewachsener Puma im hüfthohen Gras. Einfach so. Ich kann es nicht fassen! Da laufe ich hunderte Kilometer durch menschenleere Regionen, ohne die scheue Riesenkatze zu Gesicht zu bekommen und dieses Prachtexemplar sitzt direkt am Campingplatz. Unsere Anwesenheit scheint dem Tier völlig gleich zu sein. Durch ein Fernglas beobachte ich fasziniert, wie sich der Puma die Pfote leckt, um dann gemächlichen Schrittes im Unterholz zu verschwinden.
Pumas sind für den Menschen ungefährlich. Ein ausgewachsenes Exemplar kann bis zu 72 kg schwer werden und beansprucht als Einzelgänger ein Gebiet von 50 - 1000 km² für sich. Um Beute zu machen, sprinten die Katzen bis zu 72km/h schnell und können unglaubliche 5,5m hochspringen (Quelle: Wikipedia). Das ist der Weltrekord! Ich würde sehr gern die Gedanken dieses Pumas lesen, wenn er zum ersten Mal eine Hauskatze erblickt.
Neben mir hat ein Franzose ein paar Fotos schießen können. Dankenswerter Weise sendet er sie mir ein paar Tage später. Als ich Jonas von den Ereignissen berichte, schnappt sich dieser sofort seine Kamera und begibt sich auf die Suche nach dem Kätzlein. Leider vergebens. Wahrscheinlich ist sie heute nicht in Kuschellaune.
Am Folgetag erreichen wir mühelos Cochrane und auch die Rückfahrt mit Bussen und einer Fähre nach Puerto Varas verläuft reibungslos (3 Tage). Auf zu den nächsten Vorträgen!
Vortrag in der Gemeindeschule in Villa O’Higgins.
Wie navigiert man mit einem GPS Gerät?
Traurig verlassen wir das Dorf.
Dank Pascual Díaz bessert sich unsere Laune sehr schnell.
Auf gehts in die Zusatzetappe!
El barba del viejo (Bart des alten Mannes)
Unser Nachtlager.
Es geht in Richtung Pass.
Wir haben es geschafft!
Gletschereis unter unseren Füßen.
Ein Blick in das nachfolgende Tal.
Endlich erreichen wir wieder flaches Terrain.
35 Kilometer sind nicht genug…
David und Angela helfen uns!
Ein Guanko genießt die letzten Sonnenstrahlen des Tages.
Mein Puma 🙏
Wir verabschieden uns vom Parque Patagonia.
13. Etappe: Península la Florida (Villa O’Higgins)
Streckenlänge: 72 km
Davon auf dem Wasser: 0 km
Daten: 06.03.- 09.03.22
Leise und rhythmisch prasselt der Regen auf mein Zeltdach. Es ist ein Geräusch, dem wohl jeder Outdoorbegeisterte gern lauscht. Heute wäre mir persönlich jedoch Sonnenschein lieber, weil unser Aufbruch kurz bevorsteht. Ich bin ungewöhnlich introvertiert, vermutlich da ich Patagonien bald schon wieder verlassen muss…
Aufgrund des schlechten Wetters hingen wir vier lange Tage im Hostel „El Mosco“ fest. Zum Glück war dieses sehr gemütlich, wozu auch die Sauna beigetragen hat. Zudem trifft man hier, am Ende der Welt, immer auf Menschen mit interessanten Geschichten. Einer davon ist Martin aus Tschechien.
Martin lebt bereits seit fünf Jahren in Villa O‘Higgins und arbeitet im Hostel. Mit seiner ruhigen und aufmerksamen Art entschleunigt er mich sofort. Was er über sein Leben und die Gäste berichtet, erstaunt mich: „Viele junge Backpacker sind enttäuscht, wenn sie bei uns sind“. Ich hake nach. „Nun ja, die meisten Touristen haben all diese großartigen Instagrambilder von O’Higgins im Kopf. Die Erwartungshaltung vorab ist einfach riesig und die Zeit meistens knapp, weil die Reise genau durchgetaktet ist. Doch hier regnet und windet es oft tagelang. Das Boot zum Gletscher kann dann nicht ablegen und der Bus fährt auch nur 3 Mal pro Woche. Also sitzen die Leute den ganzen Tag im Aufenthaltsraum und lenken sich mit dem Smartphone ab. Sie meinen, dass es hier nichts zu sehen gibt. Kaum jemand geht ins Dorf und sucht Kontakt zu Einheimischen“.
Das Gespräch geht mir nicht mehr aus dem Kopf und ich ertappe mich dabei, wie auch ich das schlechte Wetter „sinnvoll nutze“ um Dinge „abzuhaken“. Auch die anderen Gäste sehe ich mit anderen Augen. Wir scheinen tatsächlich die einzigen zu sein, die ohne Reservierung eingetroffen sind. Die Leute kochen Nudeln, telefonieren mit der Familie und schauen fern.
Warum reisen wir überhaupt? Was macht eine Reise unvergesslich und wie können wir als Persönlichkeit durch die auf der Reise gesammelten Erfahrungen wachsen?
Mir fällt ein Podcast ein, in dem Erik Lorenz dem Reiseschriftsteller Ilija Trojanow eben diese Fragen stellt. Seine Antworten und Sichtweisen sind verblüffend, weshalb ich die Folge und das Buch „Gebrauchsanweisung fürs Reisen“ wärmstes weiterempfehle: https://open.spotify.com/episode/46Ll93SHvyPyKuNJ0GR96O?dl_branch=1&si=WQC4uq6TSn2FrDHBXb9F_g
Zurück zur Etappe. Wir befinden uns auf der Península (Halbinsel) la Florida. Mithilfe des GPS-Gerätes suchen wir einen Weg durch das teils dichte Gestrüpp und über die von Gletschern rund geschliffenen Felsen. Da sich Martin unserer kleinen Expedition spontan angeschlossen hat, sind wir sogar zu dritt. Die Aussicht auf den Lago O’Higgins mit seinem türkisblauem Gletscherwasser ist grandios. Wäre die Grenze nach Argentinien nicht geschlossen, wäre ich vielleicht genau in diesem Augenblick auf dem See…
Um meinem Ziel dennoch so nah wie möglich zu kommen, haben wir eine Bootstour zum Gletscher O’Higgins gebucht und den Captain überredet, uns mitten im Nirgendwo, also auf eben jener Halbinsel abzusetzen. Die Bootsfahrt entlang der haushohen Eisberge war grandios. Wie alle Touristen bekommen wir zum Höhepunkt des Tages ein Glas Whiskey mit Gletschereis in die Hand gedrückt. Stoßen wir gerade echt darauf an, dass die Menschheit diesem schwindenden Eisriesen in naher Zukunft den Gar ausmacht?
Es soll eine unterhaltsame und kalte Tour über eine Halbinsel werden, die wohl nur einheimische Gauchos zu Gesicht bekommen. Eigentlich ist meine Reise auch hiermit beendet. Aber auch nur eigentlich…
Fahrt zum Glaciar O‘Higgins
Auf den Klimawandel!
Der erste Anstieg bringt Jonas und Martin zum Schwitzen. Ich merke noch nichts.
Mit seinen 836m ist der Lago O‘Higgins der tiefste See Amerikas.
85% seines Wassers wird aus Gletschern gespeist, was die türkisgraue Farbe erklärt.
Wir biegen ins Gebirge ab.
Wo uns zahlreiche Flussquerungen erwarten.
Die Wege entstehen durch Viehtrieb, nicht durch Wanderer.
Fast geschafft. In der Ferne taucht Villa O‘Higgins auf. Die Sauna ruft!
12. Etappe: Cochrane - Villa O’Higgens
Streckenlänge: 233,1 km
Davon auf dem Wasser: 75,8 km
Daten: 20.02.-01.03.22
Besonderheiten: Eisberge, Flussquerungen, Wintereinbruch
Wie kann ich das, was wir in den letzten 10 Tagen Wildnis alles erlebt haben, sinnvoll zusammenfassen?
Ist es erwähnenswert, dass Jonas ein Nahrungsdepot angelegt hat, während ich 50 km den Río Baker heruntergepaddelt bin? Ich würde sehr gern die Geschichte einer alten Frau erzählen, die allein in den Bergen Patagoniens lebt. Außerdem könnte ich von Jonas seinem Wespenstich berichten, der heftig angeschwollen ist und von sympathischen Einheimischen behandelt wurde. Der Gletscher Desplaye im entlegenen Tal Valle de los Ñadis muss auf jeden Fall Erwähnung finden! Schließlich sind wir gemeinsam mit meiner Wespa (Kosename meines Packrafts) bis zur Gletscherfront vorgefahren (und dort musste Jonas vor der Flutwelle flüchten, die ein haushoher Eisblock des Gletschers ausgelöst hat). Navigationsprobleme, schwierige Flussquerungen, grandiose Sonnenaufgänge, Begegnungen mit Siedlern, der Wetterumschwung mit Sturm und Schnee…
Ich kann dieser ereignisreichen Etappe keinesfalls mit einem knappen Bericht gerecht werden. Vielleicht setze ich mich eines schönen Tages mit einer Tasse Tee an den Laptop, reflektiere die Reise und schreibe ein Buch.
Aber natürlich gibt es wie gewohnt ein paar schöne Bilder. Bitte genießt diese ganz besonders, denn ich musste, um sie überhaupt hochzuladen zu können, eine Nachtschicht einlegen (seeehr schlechtes Internet).
Start auf dem Río Baker.
Nach der Flussfahrt treffe wieder auf Jonas.
Weiter geht es auf dem Landweg.
Drache?
Riesenkrake!
Und eine Katze ♥️
Unsere erste Nacht im entlegenenValle de los Ñadis.
Mehrmals furten wir durch den Río de los Ñadis.
Wir sind auf der ständigen Suche nach einem Weg.
Pause.
Infolge eines Wespenstiches ist Jonas sein Unterarm heftig angeschwollen.
Freundliche Einheimische (Familie Caucamán) behandeln ihn.
Wir steigen weiter auf.
Überall sind Gletscher zu sehen.
El Cóndor.
Abendbrot am Lago Desplaye.
Auf gehts zum Gletscher!
El Glaciar Desplaye.
Immer wieder brechen riesige Eisblöcke ab.
El Lago Alegre. Jonas muss zu Fuß weitergehen.
Sturm und Regen ziehen auf.
Wir finden Zuflucht in einem Refugio.
Während draußen der Wind heult, haben wir es rauchig warm.
Die letzten Meter der Etappe sind eher kühl.
Das war’s 😉
11. Etappe: Río Tranquillo - Cochrane
Streckenlänge: 115 km
Davon auf dem Wasser: 77,8 km
Daten: 13.02.-18.02.22
Besonderheiten: Sturmasyl und Wildwasser
Immer wenn ich Chilenen von meinem Plan berichte, den Lago General Carrera mit meinem Packraft zu befahren, folgt die selbe Reaktion. Ob ich nicht wisse, dass Douglas Tomkins, auf eben diesem See im Kajak kenterte und in Folge von Unterkühlung starb? Natürlich weiß ich das. Douglas Tomkins ist in Patagonien so etwas wie eine Legende.
Als Begründer der Marken „The North Face“ und „Esprit“ wurde Tomkins Millionär. Gemeinsam mit seiner Frau Kristine Tomkins kauften sie in Patagonien riesige Landflächen (ca. halb Mecklemburg Vorpommern), machten aus ihnen Nationalparks und schenken sie dem chilenischen Staat. Die Tomkins Conservation Stiftung setzt sich zudem in Patagonien aktiv für die Auswilderung vom Aussterben bedrohter Arten (wie z.B. dem Puma) ein.
Anders als Douglas jedoch, trage ich bei schlechtem Wetter einen Trockenanzug und paddle stets in Küstennähe, was mein Risiko erheblich minimiert. Heute brauche ich den Anzug allerdings nicht. Die warmen Sonnenstrahlen bringen das türkisblaue Wasser zum leuchten und sorgen erneut für ein atemberaubendes Lichterspiel in den Marmorhöhlen.
Leider dreht tags darauf der Wind und ich kämpfe mich im Schneckentempo von Bucht zu Bucht. Genervt muss ich am nächsten Sandstrand anlegen und entdecke zu meiner Überraschung ein vertäutes Boot. Anscheinend befinde ich mich auf einem Privatgrundstück. Kurz darauf stehe ich vor einem imposanten Holzhaus mit großzügigen Fenstern. Drinnen kann ich mehrere Personen im feinen Zwirn am Mittagstisch ausmachen. Es bahnt sich meine erste Begegnung mit der reichen chilenischen Oberschicht an.
Eine halbe Stunde später sitze ich zwischen der Familie und deren Freunden aus Santiago am Esstisch. Es gibt gemischten Quinoasalt und Fisch, dazu ein Glas Rotwein. Auf akzentfreiem Englisch berichtet mir der Hausherr Antonio Schneider von seinen deutschen Wurzeln. Sein Vater Hans hätte 1936 vor den Nazis fliehen müssen, da er Jude ist. Als Fotograf machte er später in China Karriere. Stolz präsentiert mir Antonio ein Foto, auf dem sein Vater gemeinsam mit Mao abgelichtet ist. Hans Schneider ist mittlerweile fast 100 Jahre alt und lebt in Australien.
Am Nachmittag machen wir einen Spaziergang über sein Grundstück, welches sich bis zum Horizont erstreckt. Als wir ein freies Feld erreichen, ruft Antonio seine Kinder Sara und Claudio zu sich und setzt zu einer Rede an. „Douglas Tomkins und Yvon Chouinard standen vor vielen Jahren dort, wo wir jetzt auch stehen.“ Antonio macht eine kurze Pause und deutet in die Ferne. „Sie betrachteten die markanten Gipfel der Berge San Valentin und Cerro Escudo und beschlossen, sie zum Logo ihrer künftigen Bekleidungsfirma zu machen. Heute ist die Marke "Patagonia" Milliarden Dollar wert. Habt ihr mir genau zugehört ?“ Betretenes Schweigen senkt sich über die Wiese.
Ich bleibe noch den kompletten nächsten Tag im Hause der Schneiders, da der Sturm nach wie vor tobt. Als ich endlich ablegen kann, werfe ich einen letzten Blick auf den San Valentin und denke an das Erlebte zurück. Leider hatte Antonio nicht ganz recht. Das Logo der Marke "Patagonia" zeigt den "Monte Fitz Roy" in Argentinien.
12 Stunden und 34 km später erreiche ich mit zwei Forellen im Gepäck Puerto Bertrand, wo ich glücklicher Weise wieder auf Jonas treffe. Am Lagerfeuer berichtet er mir von seinen Abenteuern im Cerro Castillo Nationalpark und zeigt herrliche Fotos auf seiner Kamera.
Mit einem Kribbeln im Bauch erwache ich am folgenden Morgen. Heute wollen wir den Oberlauf von Chiles mächtigsten Fluss paddeln. Jonas hat eine Raftingtour gebucht und ich werde dem Raft mit meinem Packraft folgen. Unser Gepäck wird von der Agentur transportiert, was sich rückblickend als cleverer Schachzug erweisen soll.
Es geht sofort richtig zu Sache. Im Wuchtwasser des Baker stehen meterhohe Wellen. Ich johle vor Freude über die Achterbahnfahrt in meiner kleinen gelben Wespa (Taufname). Einmal wähle ich allerdings eine etwas falsche Linie und lege einen gehörigen Stunt hin. Als wir uns am Abend das dazugehörige Video anschauen, kommen wir aus dem Lachen nicht mehr heraus.
Auf den letzten 40km nach Cochrane erwarten uns eine Fährfahrt mit dem Packraft, um über den Río Baker und Río Nef überzusetzen. Wir schrubben reichlich Kilometer auf Schotterpisten und erreichen entkräftet Cochrane. Doch Zeit zum Ausruhen bleibt kaum. Wir stehen vor der vielleicht härtesten Etappe der gesamten Reise…
Start auf dem Lago General Carrera.
Die Marmorhöhlen sind einfach fantastisch!
Cathedral de Màrmol (Kathedrale aus Marmor)
Sturm zieht auf dem See auf.
Zu Gast bei Familie Schneider.
Endlich beruhigt sich der See wieder.
Cerró Escudo und San Valentín.
Im Wildwasser des Río Baker.
Wir nutzen das Boot als Fähre am Río Nef.
10. Etappe: Río Tranquilo - Cerro Castillo
Streckenlänge: 158,9 km
Davon auf dem Wasser: 12,8 km
Daten: 24.-29.01.22
Besonderheiten: Marmorhöhlen, Chiles größter See und eine verlassene Stadt
Beim Wandern einen Partner an der Seite zu haben, hat definitiv seine Vorteile. So kann man unglaubliche Erlebnisse teilen und sich gegenseitig motivieren, wenn der Tag einfach nicht enden will. Dichte Wälder mit stachligen Gewächsen, zahlreiche Flussquerungen, Hitze, Kälte und schwere Rucksäcke waren auf dieser Etappe der Preis für ein herrliches Abenteuer in einer menschenleeren Wildnis. Für Jonas war es eine waschechte Feuertaufe, die er aber souverän gemeistert hat.
Die Tour beginnt am Ufer des größten Sees Chiles, dem Lago General Carrera. Wir zelten im Ort Puerto Tranquilo, welcher derzeit von Touristen überrannt wird, weil man von hier aus Bootstouren zu eindrucksvollen Marmorhöhlen unternehmen kann. Mein Plan ist es, die Höhlen mit dem Packraft selbstständig zu erkunden und dann auf der anderen Seeseite anzulanden. Für Jonas buchen wir eine Tour und überreden den Captain, ihn ebenfalls auf der anderen Seite abzusetzen. Die Bitte sorgt für etwas Verwirrung, aber unser Plan geht auf und wir erleben einen magischen Vormittag bei bestem Wetter.
Auf einem Viehweg folgen wir zwei Tage lang dem Nordufer des Lago General Carrera. Sengende Hitze, Dornengestrüpp und unzählige Höhenmeter verlangsamen unser Vorankommen. Dafür werden wir jedoch mit spektakulären Ausblicken auf den schier unendlichen See belohnt. In der Ferne tauchen mehrere Häuser auf, die mein GPS als den Ort Puerto Cristal ausweist. Zu unserer Überraschung bellt kein Hund, als wir die Siedlung betreten. Wir passieren eine Villa, mehrere Baracken, Lagerhäuser und eine Schule mit eingefallenem Dach. Im Straßenstaub liegen ein paar alte Turnschuhe von Nike neben einer Dose Cola. Nichts regt sich. Es ist komplett still.
Auf einer Anhöhe stehen wir plötzlich vor einer Verarbeitungshalle, die sich ca. 100m hinauf des Berges zieht. Dank meines Smartphones erfahren wir, dass man in Puerto Cristal zwischen 1931 - 1994 Zinn und Blei abbaute. Als die Mine unrentabel wurde, verließen die Bewohner das Dorf. Nur ein alter Mann wollte in seiner Heimat bleiben und wurde in den Folgejahren über das Militär mit Lebensmitteln versorgt. Leider, leider lebt er heute nicht mehr.
Neugierig schauen wir uns in der Halle um und inspizieren die alten Maschinen, Förderbänder und rostigen Kessel, die wir vorsichtig über knartzende Treppen erreichen. Staub bedeckt die Ketten, Schalter und Hebel. Es fühlt sich an, als würden uns die Arbeiter jeden Moment hinausscheuchen, um ihre Schicht anzutreten.
Zwei Tage später löffeln wir im Schatten einiger Bäume Nudelsuppe zum Mittag. Vor uns teilt sich der Weg und beide Optionen führen zum Ziel. Sollen wir den längeren und steileren Weg nehmen, der uns über einen Gebirgspass führt, oder einfach weiter dem Flusslauf folgen? Für die kommende Nacht ist Regen und Wind angesagt, sodass die Entscheidung eigentlich leicht fallen sollte…
„Hätten wir das Zelt vielleicht noch flicken sollen?“ fragt mich Jonas. Wir müssen herzlich lachen. Genau in diesem Augenblick zerrt eine heftige Böe am Zelt und unser Lachen verstummt abrupt. Gespannt schauen wir uns an und hoffen, dass mein billiges Zelt aus Studentenzeiten, was ich Jonas vermacht habe, diese Nacht im Gebirge noch überstehen wird. Für beide Zelte ist zwischen diesen Felsen einfach zu wenig Platz. In weniger als 500m Luftlinie erhebt sich die vergletscherte Bergkette der Torres de Avellano. Immer wieder donnern mächtige Eisblöcke in die Tiefe, was wie fernes Donnergrollen klingt. Mitten in der Nacht reißt uns ein seltsamer Tierlaut aus dem unruhigen Schlaf. Wir sind sofort hellwach, rühren uns aber keinen Zentimeter.
Erleichtert über die ersten Sonnenstrahlen des Tages, entleeren wir unsere drückenden Blasen. Vor uns schimmern die Bergspitzen und Gletscher im roten Licht. Es ist ein unglaublicher Anblick, der für die unruhige Nacht vollends entschädigt. Wir suchen im Sand nach Tierspuren, finden aber nichts. Und abgesehen davon, dass uns in den nächsten zwei Tagen noch die Vorräte ausgehen werden, verläuft der Abstieg nach Cerro Castillo ohne besondere Vorkommnisse.
Wenn ich auf die zahllosen Erlebnisse dieser Fernwanderung zurückblicke, formt sich in meinem Kopf das Bild hoher Wellen auf einem endlosen Meer. Jeder Wellenkamm steht stellvertretend für einen Höhepunkt der Reise, welcher zwangsläufig einem Tiefpunkt folgt. Zu Wissen, dass jede Anstrengung und Herausforderung mehr als belohnt wird, macht mich gelassen. Mehr noch, ich begegne Herausforderungen mit Humor. Ob ich diese Stärke auch im Alltag übernehmen kann, wird sich bald zeigen 🙏.
Unser Einkauf für sieben Tage Wanderung.
Am Ufer des Lago General Carrera beginnt unsere erste Etappe zu zweit.
Es kann losgehen.
Mit dem Packraft erkunde ich die eindrucksvollen Marmorhöhlen.
Wir wandern zwei Tage entlang des Sees auf einsamen Viehwegen.
Das verlassene Bergbaudorf Puerto Cristal.
Die Verarbeitungshalle scheint noch völlig intakt zu sein.
Zwei alte Transportschiffe.
Unser letztes Nachtlager am See.
Wir biegen in Richtung Gebirge ab.
Nur dank einer Furt werden wir diesen süßen Begleiter wieder los.
Badetag!
Aufstieg zu den Torres de Avellano.
Entpuppt sich als schwierige Angelegenheit.
Geschafft!
Jetzt fehlt nur noch ein Steinwall gegen den Wind.
Am Morgen danach.
♥️
Wo bin ich?
Ein letztes Abendmahl, bevor uns die Nahrungsmittel ausgehen.
Wir halten ein Auto an und erhalten dankbar ein Gnadenbrot.
9. Etappe: Palena - Rául Marín Balmaceda
Streckenlänge: 185,6 km
Davon auf dem Wasser: 183,5 km
Daten: 24.-29.01.22
Besonderheiten: El Rodeo, Río Palena und ein Gespräch mit Nachwirkungen
Langsam schiebt sich die Fähre vom Dock des Ortes Rául Marín Balmaceda. Von meinem Sitzplatz an Deck werfe ich einen letzten Blick auf den Fjord, über den ich noch gestern bei bestem Wetter anlandete. Heute ist es bewölkt und es weht ein kühler Wind, weshalb sich die meisten Passagiere auf ihre Sitzplätze im Innenraum zurückgezogen haben. Die Enge, der Fernseher und Maskenpflicht haben mich hinausgetrieben, wo ich jetzt gemütlich auf meiner Isomatte sitze und spüre, wie das Boot auf den Wellen des Pazifiks merklich zu schaukeln beginnt. Hier draußen finde ich Ruhe, um meine aufgewühlten Gedanken zu ordnen und um das zu verarbeiten, was sich in den letzten Tagen ereignet hat. Und das war nicht wenig.
Das kleine Örtchen Palena im Herzen der patagonischen Anden hat mich vom ersten Augenblick an begeistert. Ich finde rasch eine gemütliche Herberge, dusche ausgiebig, wasche (fast) all meine Klamotten und nehme eine kräftige Mahlzeit ein. Gestärkt begebe ich mich am folgenden Tag in die Arena zum Rodeo. Sofort entdecken mich die Herren, denen ich bereits auf dem Hinweg begegnet bin. Im Laufe des Wochenendes laden sie mich zu mehreren köstlichen Mahlzeiten mit reichlich Wein ein und erklären mir geduldig den Ablauf bei einem traditionellen Rodeo.
Der Wettkampf wirkt auf mich spektakulär. In die Arena wird ein ahnungsloses Kälbchen getrieben, was von jeweils einem Team, bestehend aus zwei Reitern, bereits empfangen wird. Sofort rennt das junge Tier panisch umher. Die Herausforderung für die Teilnehmer besteht nun darin, das Kälbchen auf eine bestimmte Weise durch die Manege zu treiben. Gelingt dies, gibt es Pluspunkte. Zumeist gelingt es jedoch nicht, was aus Zuschauersicht sehr unterhaltsam ist. Einem Tier gelang es sogar, aus der Arena herauszuspringen! Bei einer anderen Disziplin müssen die Kälber mit einem Lasso eingefangen werden.
Die Wettkämpfe sind unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes kritisch zu sehen. Gabriel Boric (Chiles neuer Präsident) hat beispielsweise im Wahlkampf angekündigt, den Rodeo abschaffen zu wollen. Allerdings sind die Wettbewerbe kulturell tief verankert und bedeuten für Palena die größte Fiesta des Jahres. Als Außenstehender möchte ich mir kein Urteil erlauben. Ich sauge das Geschehen einfach auf, lerne viele herzliche Menschen kennen und tanze bis tief in die Morgenstunden zur Livemusik.
Wenig erholt, aber mit reichlich Essen und sogar ein paar Dosen Bier im Gepäck, breche ich zum Río Palena auf. Auf diese Etappe freue ich mich schon lange! Mehrere Stromschnellen erfordern sogleich meine volle Aufmerksamkeit. Stellenweise ist der Fluss so flach, dass ich zum Aussteigen gezwungen bin. Ich übernachte auf dem Grundstück der Familie, die ich auf dem Hinweg kennengelernt habe.
Paz und Ricardo leben hier als Selbstversorger und führen mich freundlicher Weise herum. Es gibt einfach alles! Hühner, Schafe, Gänse, Pferde, Hunde, Katzen, Ziegen, Gewächshäuser, zahllose Beete, Sträucher, Obstbäume - ja sogar Korn bauen sie selbst an, mahlen es per Hand und backen daraus köstliches Brot. Ihr Grundstück sei sehr groß. Wenn ich Lust hätte, könnte ich jederzeit herkommen, auch für länger. Einem deutschen Schauspielerpärchen hätten sie bereits ein Stück Land verkauft. Die beiden finanzieren sich indem sie diverse Schulprojekte durchführen…
Das Gespräch klingt in mir noch lange nach. Während ich an einsamen Stränden zelte und die Forellen im glasklaren Wasser zählen kann, denke ich darüber nach wie es wäre, mir hier eine Selbstständigkeit aufzubauen.
In den 5 Paddeltagen auf dem Fluss treffe ich auf genau einen Angler und zwei Familien beim Badeausflug. Der Fluss mäandert komplett unverändert durch eine traumhafte Bergkulisse und ist Heimat für unzählige Fische und Vögel. Tag für Tag verbreitert sich der Strom und nimmt dadurch weiter an Fahrt auf. Besonders beeindruckend ist dabei der Zusammenfluss des dunkelblauen Río Palena mit dem türkisblauen Wasser des Río Frío (kalter Fluss). Um meine Kräfte optimal einzuteilen, stelle ich das Paddeln ein, sobald mich eine kräftige Strömung erfasst hat. Auf diese Weise bin ich zwar länger auf dem Fluss, lege aber am 3. Tag stolze 53km zurück und fühle mich am Abend gut.
Das Wetter könnte besser nicht sein. Eigentlich ist es zu gut. Eine lange Siesta ist unumgänglich, um der sengenden Sonne für eine Weile zu entgehen. Ich versuche meine Nahrungsmittel aufzustocken, indem ich meinen Erfolgsköder hinter dem Boot herziehe. Es dauert keine 5 Minuten und ich kämpfe mit einer knapp 50cm langen Regenbogenforelle. Noch nie in meinem Leben war ich an einem Ort an dem die Natur noch so intakt ist.
Der 4. Tag dieser Tour ist auch gleichzeitig der Schwierigste. Das gute Wetterfenster beginnt sich zu schließen und ein kräftiger Gegenwind verlangsamt mein Weiterkommen. Um mich abzulenken, studiere ich meine Route auf dem GPS Gerät und entdecke eine natürliche heiße Quelle unweit meines Standortes. Eine Stunde später aale ich mich im heißen Wasser und genieße Käseravioli, die ich über meinem Campingkocher zubereitet habe. Die Zeit drängt, aber im Augenblick bin ich durch den Gegenwind zum Genießen verdammt.
Gegen Abend bessert sich die Lage und ich fahre mit Vollgas bis zum Einbruch der Dunkelheit. Mein Zelt schlage ich auf einer höhergelegenen Kiesbank auf, nicht wissend, dass die Gezeiten bereits hier starken Einfluss haben. 4:40 Uhr klingelt mich der Wecker aus dem Schlaf. Beim Verlassen des Zeltes stelle ich fest, dass mich die Flut in der Nacht um ein Haar unter Wasser gesetzt hätte. 50cm neben meinem Zelt ist der Kies noch feucht. Das Wasser läuft gerade ab und es ist windstill, also nichts wie los!
Als ich 15km später in den Fjord einbiege, sehe ich zu meiner Freude mehrere Pinguine. Kurze Zeit später entdecke ich mindestens 100 Seelöwen, die auf Nahrungssuche immer wieder abtauchen. Neugierig nähere ich mich, doch auch die Seelöwen scheinen an einer Begegnung interessiert zu sein, denn sie schwimmen direkt auf mich zu und kurzzeitig bin ich von ihnen umgeben. Durch das glasklare Wasser kann ich beobachten wie die Tiere knapp unter meinem Boot hindurchtauchen, um prustend auf der anderen Seite wieder Luft zu holen. Einige Jungtiere spielen wenige Meter neben mir im Wasser. Was für ein Spektakel! Ich bin fassungslos vor Glück und drehe mehrere geniale Videos.
Mittlerweile ist es Abend auf der Fähre geworden. Ich sitze nach wie vor im Freien. Die Fahrt nach Aysén dauert noch bis in die Morgenstunden. Sollte ich hier nicht einfach mein freistehendes Zelt aufbauen? Besser nicht. Morgen um diese Zeit werde ich mich mit Jonas Grünewald, einem Freund aus der Heimat, treffen, der mich auf einigen Etappen begleiten möchte. Es bleibt spannend 😀
Willkommen in Palena!
Das traditionelle Rodeo Chileno.
La fiesta!
Der Morgen danach…
Start auf dem Río Palena!
Zu Gast bei Paz und Ricardo.
Das leichte Wildwasser im Oberlauf bereitet nicht nur Freude, sondern auch Abkühlung!
Gute Nacht!
Und guten Morgen.
Zusammenfluss von Río Palena (dunkelblau) und Río Frío (türkis).
Vom Aussterben bedroht: Langhalsdinosaurier.
Eine von zwei Brücken auf 185 Flusskilometern.
♥️
Mahlzeit in einer natürlichen heißen Quelle.
Im Unterlauf ist der Río Palena zu einem riesigen Strom angewachsen.
Auf in den letzten Tag!
Selfie mit dem Fährschiff.
3 Stunden später tummeln sich Seelöwen um und unter meinem Boot!
Während die Ausrüstung trocknet, blicke ich voller Dankbarkeit zurück auf eine der schönsten Etappen bislang.
8. Etappe: Puyuhuapi - La Junta - Chaitén - Palena
Streckenlänge: 229 km
Davon auf dem Wasser: 126 km
Daten: 11.01.-21.01.22
Besonderheiten: Lago und Río Yelcho
Diese 8. Etappe ist ausnahmsweise keine zusammenhängende Tour, sondern besteht aus 3 Teiletappen, die ich der Einfachheit halber zu einem Eintrag zusammengefasst habe. Auch ist es etwas verwirrend, dass ich beim zweiten Abschnitt von Süd nach Nord reise, anstatt umgekehrt. Am Ende entsteht eine zusammenhängende Route, vertraut mir 😉.
1. Abschnitt: Puyuhuapi - La Junta
Von Puyuhuapi aus geht es steil hinauf zum Lago Risopatrón, an welchem Ufer ich das Packraft startklar mache. Da ein kräftiger Rückenwind weht, baue ich kurzerhand aus etwas Bambus und meinem Zelt ein einfaches Segel. Die investierte Zeit zahlt sich aus. Ohne große Anstrengung gleite ich über den 12 km langen See.
Am Folgetag erreiche ich nach einer 10 km langen Wanderung auf der Carretera Austral (Hauptstraße) den gleichnamigen Fluss Risopatrón. Es ist ein kleiner Strom, indem jede Menge Bäume liegen. Zumeist kann ich die Hindernisse umschiffen, nur ein paar Mal bin ich zum Aussteigen und Umtragen gezwungen. Ich lege an diesem Tag stolze 40km zurück und liege abends völlig platt an einem feinen Sandstrand, der als mein Nachtlager dient.
2. La Junta - Chaitén
Chaitén!? Kommt dir das bekannt vor? Richtig, dort hatte ich meinen Kletterunfall. Dieses Mal werde ich Chaitén von der südlichen Seite über den Wasserweg (Río Yelcho und Fjord) erreichen, um die Verbindung zu meiner bisherigen Route herzustellen.
Startpunkt ist eine Brücke, die ca. 80km nördlich von La Junta liegt. Also halte ich meinen Daumen in den Wind und bin hoch erfreut, als bereits nach kurzer Zeit ein Wagen neben mir hält. Der Fahrer ist Jörg Wehnert aus, haltet euch fest, Bad Lauchstädt bei Halle (Saale). Was für ein lustiger Zufall. Jörg gönnt sich eine Auszeit von einem Jahr und bereist ganz Südamerika. Den Wagen hat er sich nur gemietet. An der Brücke angekommen, nehmen wir noch eine gemeinsame Mahlzeit ein und setzen unser angeregtes Gespräch fort. Jörg ist so nett, ein paar Bilder von mir zu schießen, als ich bereits mit dem Packraft auf dem Río Yelcho entschwinde.
Es ist ein gewaltiger Strom. In etwa wie die Elbe, nur deutlich breiter, mit türkisblauem Wasser und doppelt so schnell. Der Vergleich scheint also etwas zu hinken. Ein kräftiger Gegenwind donnert mir entgegen. Nur dank der starken Strömung komme ich überhaupt voran. Als sich nach etwa 2 Stunden auch noch heftiger Regen zu Wort meldet, errichte ich geschwind ein Lager für die Nacht. Am folgenden Tag weht kein Lüftchen und ich komme mühelos im 40km entfernten Chaitén an.
3. Chaitén - Palena
Ich erreiche die mir bereits bekannte Brücke per Bus. Dieses Mal werde ich aber nicht dem Río Yelcho nach Norden hin folgen, sondern über den Lago Yelcho paddeln. Der See hat in etwa die Größe der Müritz. Kaum habe ich die Brücke passiert, werfe ich noch einen Spinner (Angelköder) ins Wasser, den ich einfach hinter meinem Boot herziehe. Bereits nach 20 Min. geht ein Ruck durch die Schnur und ich kann einen 50cm langen Lachs landen. Die Investition in den neuen Köder hat sich schnell bezahlt gemacht 😀. Ich krieche an diesem Abend mit einem sehr vollen Bauch in mein Zelt.
Als ich als Vorbereitung für die Tour vor vielen Monaten mit Jan Dudek telefonierte, bezeichnete dieser den Lago Yelcho als „Biest“. Ständig wechselnde Windbedingungen, verbunden mit hohen Wellen sowie die gefährlichen Strömungen sorgen regelmäßig für Unfälle, wie mir ebenfalls der Angelladenbesitzer in Chaitén versicherte. Und tatsächlich, während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich fest. Wind und Wellen machen meine Weiterfahrt derzeit unmöglich.
6 Stunden später, es ist bereits 15 Uhr, tut sich endlich ein Wetterfenster auf. Es ist auch die letzte Chance des heutigen Tages, schließlich liegen noch 12 km bis zur nächsten Zeltmöglichkeit vor mir. Ich quere rasch den See und folge den Felsen auf der anderen Uferseite in südlicher Richtung. Steife Böen drängen mich immer wieder von meinem Kurs ab. 1 km bevor ich das Ziel erreiche, legt der Wind noch einmal so richtig los und peitscht mir Regen und Gischt ins Gesicht. Ich kämpfe mich in Zeitlupe voran und erreiche gegen 20 Uhr mein Nachtlager. Schlagartig ist es windstill. Es ist, als ob das Biest ein letztes Mal seine Krallen nach mir ausgefahren hat.
Auch am Folgetag meint es Petrus nicht gut mit mir. Meine Stimmung ist angesichts des Dauerregens und der Strecke (60 km Landstraße) eher gedrückt. Nach etwa 10 km steht ein LKW am Straßenrand, dessen Insassen gerade ihr Angelglück am nahegelegenen Fluss versuchen. Dankbar über die Ablenkung spreche ich die Herren an. Sie erzählen mir, dass sie an einem Reitturnier teilnehmen möchten und zeigen mir stolz ihre 8 Pferde. Das Turnier findet dieses Wochenende in Palena statt und ich bin eingeladen, ihr Team zu unterstützen. Was für eine glückliche Fügung! Das passt perfekt in meinen Zeitplan. Meine Stimmung hebt sich schlagartig.
Tags darauf komme ich vom Weg ab und stehe quasi bei einer sehr sympathischen Familie mit eigenem Kletterfelsen und mit unzähligen Tieren im Garten. Auf meiner nächsten Etappe werde ich mindestens eine Nacht hier verbringen, da ihr Grundstück unweit des Río Palena liegt. „Aber das liebe Kinder, erzähle ich euch ein andermal!“ sagt Papa Tobi und klappt das Abenteuerbüchlein zu.
Das Segel ist gesetzt! (Lago Risopatrón)
Río Risopatrón am Folgetag.
Das viele Holz verlangt einige Manöver von mir ab.
Geschafft für heute!
Los gehts zum 2. Abschnitt.
Der Río Yelcho ist ein breiter und kräftiger Strom.
Im Hintergrund nähert sich die Regenfront.
3. Abschnitt: Lago Yelcho.
Petri Heil!
Einige Stunden später.
Gute Nacht!
Und guten Morgen!
♥️
♥️
Ein See mit vielen Gesichtern!
Die 1000 km Marke ist pünktlich zur Halbzeit geknackt!
Es geht mir sehr gut. Zwar gibt es beim Material (Rucksack, Schuhe, Gestänge) den ein oder anderen Ausfall, aber noch habe ich alles im Griff. Ich bin unendlich dankbar, dass ich diese einzigartige Reise unternehmen darf und freue mich auf alles, was da noch kommen möge …
7. Etappe: Picaflor Sur - Puerto Cisnes - Puyuhuapi
Streckenlänge: 139,7 km
Davon auf dem Wasser: 115,7 km
Daten: 04.01.- 10.01.2022
Besonderheit: Das vergessene Tal
Mit einer Mischung aus Vorfreude und Anspannung verlasse ich die Hauptstraße und biege auf einen kleinen Forstweg ein.
Vor mir liegt das Tal (Valle) Picachu, welches fast komplett unbesiedelt ist. Es ist definitiv ein Geheimtipp, den zumeist nur Einheimische kennen. Meine Informationen und GPS Daten wurden von einer 4 köpfigen Expedition zusammengetragen, welche die Tour vor nunmehr 3 Jahren unternommen hat.
Nach 17 Kilometern Fußmarsch wird mein Weg von einem kleinen Flusslauf durchschnitten. Unschlüssig, ob es sich lohnt die Schuhe extra auszuziehen, stehe ich am Ufer. In diesem Augenblick höre ich von hinter mir Hufgetrappel. Rasch nähern sich mir 5 Reiter, die freundlich grüßen und mir anbieten, auf einem ihrer Pferde Platz zu nehmen. Dankend nehme ich an, gebe einem der Männer meinen Rucksack und schwinge mich hinter ihm in den Sattel. Mein Gönner heißt Ariel und erzählt mir, dass sie als Familie auf Erkundungstour seien. Als wir kurze Zeit später trockenen Fußes auf der anderen Seite angekommen sind, schieße ich noch schnell ein Selfie mit Ariel und seinem Braunen und verabschiede mich dankend.
5 Kilometer später erreiche ich den Río (Fluss) Picachu, welcher mich bis zum Fjord führen soll. Das Boot ist schnell aufgebaut und der Spaß beginnt sogleich. Da es die letzten Tage ausdauernd geregnet hat, warten herrliche Stromschnellen (Stufe 2) auf mich. Der Fluss schlängelt sich fröhlich durch die Landschaft und überall zeugen umgefallene Bäume und steile Abbruchkanten von der Kraft des unregulierten Stroms. Plötzlich sehe ich an der rechten Uferseite die Familie zu Pferd und lege an.
Wo ich denn plötzlich das Boot her hätte, wollen sie wissen, und wo ich überhaupt hinwolle, denn schließlich ginge es hier nicht weiter. Ich beantworte ihre Fragen geduldig und zeige ihnen meine Route auf dem GPS Gerät. Sie laden mich am gleichen Abend in ihr Puesto ein, welches das letzte Haus im Tal ist. Es dauert eine Weile, bis ich die komplizierte Wegbeschreibung verstehe, aber dank meines schlauen Geräts finde ich ihre alte Hütte auf einem kleinen Hügel unweit des Flusses.
Als ich gegen halb 10 im Zelt liege und gerade am Einschlafen bin, höre ich vom Fluss her laute Rufe. Schnell ziehe ich mich wieder an, schlüpfe in die Schuhe und eile den Stimmen entgegen. Ein Pferd hat sich in der Mitte des Flusses mit einem Huf in einer Astgabel verhakt und wiehert panisch. Als das Tier endlich befreit ist, treiben es die Männer mit vereinten Kräften auf das andere Ufer zu.
In der Hütte angekommen, entzünden wir ein Feuer. Es ist das erste Mal seit 15 Jahren, dass sie ihr altes Puesto besuchen, erzählen sie mir später bei reichlich Wein. Ihr Großvater hätte hier einmal während der Sommermonate gelebt und das Vieh gehütet, aber das sei lange her. Heute lebt und arbeitet die ganze Familie in Coyhaique und jeder von ihnen geht einer geregelten Arbeit nach. In 2 alten Pfannen braten wir ein paar Leckerbissen vom Schaf, das als Proviant für die nächsten Tage dienen soll. Es schmeckt köstlich!
Am nächsten Morgen schaffe ich es erst um 7 Uhr aus dem Bett. Die Nacht war kurz und mein Kopf ist noch schwer vom Wein. Es ist ein herrlicher Tag. Keine Wolke steht am Himmel und der glasklare Fluss führt mich durch eine magische, ja fast mystische Landschaft. Hinter jeder Flussbiegung wartet eine neue Überraschung. Urwaldriesen, unzählige Vögel, schroffe Felsen und rasante Stromschnellen lassen die Kilometer nur so dahinfliegen. Damit ist leider Schluss, als der Río Picacho in den Lago Copa mündet und mir starker Gegenwind entgegenschlägt. Ich habe das Gefühl, als ob ich von der Autobahn direkt in eine Spielstraße einbiegen würde.
Der Lago Copo besteht aus 4 Seen, welche durch rasante Stromschnellen (Stufe 3-4) miteinander verbunden sind. Die erste Stromschnelle kann ich noch befahren, bei den anderen ist dies leider unmöglich und ich sehe mich gezwungen, die Passagen großräumig zu umtragen. Und das wird zur Tortur. Um die erste Schlucht des Flusses zu umgehen, schlage ich mich 4 Stunden lang durch dichtestes Gestrüpp. Teilweise krieche ich unter Farnen und Büschen hindurch, doch am schlimmsten ist der meterhohe Bambus, durch den ich keine 2 Meter weit sehen kann. Einmal versuche ich mithilfe eines Stocks eine Schneise zu schlagen. Als ich nach ca. 20 Metern umdrehe, verlaufe ich mich und kann meinen Rucksack samt GPS Gerät nicht wiederfinden. Es dauert mindestens 20 Minuten, bis ich endlich zurückfinde. Zwischendurch bleibe ich immer wieder stehen, atme tief durch und ringe die aufsteigende Panik nieder. Ab jetzt gebe ich das GPS Gerät nicht mehr aus der Hand.
Am Abend erreiche ich endlich den Lago Escondito und am folgenden Tag den Fjord, an dessen Ufern sich Puerto Cisnes befindet. Ein Restaurant direkt am Wasser bietet ein günstiges und leckeres Mittagessen an. Ich durchfahre den 55 Kilometer langen Fjord nach Puyuhuapi in 2,5 Tagen. Der Wind ist launisch und meine Arme sind schwer. Dank eines spannenden Hörbuches komme ich trotzdem stetig voran. Unterwegs ist es aber keinesfalls langweilig!
Ich erlebe hautnah, wie ein Schwarm Delfine im Delta eines Flusses im Verband jagt. Tags darauf taucht prustend ein Seelöwe so nah neben meinem Packraft auf, dass ich mich fürchterlich erschrecke. Ich hätte ihn problemlos mit dem Paddel berühren können. Kurz darauf wundere ich mich, warum ein Kormoran, anstatt wegzufliegen,
immer wieder panisch vor meinem Boot abtaucht. Die Lösung wird mir bei genauerer Betrachtung des Vogels klar. Es ist ein Pinguin! Am letzten Abend stoße ich am Strand auf eine Großfamilie, die mich sofort herzlich zu einem Asado (Grillfest) einlädt. Die Gastfreundschaft der Chilenen ist wirklich bewundernswert!
Dank Ariel komme ich trockenen Fußes auf der anderen Flussseite an.
Los gehts!
La Familia.
Unterwegs auf dem R